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Dienstag, 17. November 2015

Spirituelles Tagebuch II
Die letzen Monate verliefen recht friedlich. Ich hatte eine ruhige Zeit mit den drei Hauptmerkmalen meines Lebens: Die Meditation, meinen Sangha und dem Kontakt zu vielen Menschen, welche einerseits bei mir Rat suchten oder mit denen ich einfch gern zusammen bin.

Meine Meditationszeiten, zumindest die formelle Meditation, habe ich auf den frühen bis späten Abend gelegt, da ich das stärkere Gefühl hatte, mehr Zeit, nicht limitiert, zu praktizieren. So sitze ich manchen Abend bis cirka 2h  still in Meditation einfach in meiner Klause, lasse das Toben und Stürmen der Gedanken zu und komme tiefer gehend zur Ruhe. Oftmals erreichen mich dann Erkenntnisse, welche ich dann nach der Meditation aufschreibe in meinem Meditationsbuch. 

Diese Entscheidung ohne Limit ganz offen und in der Weite zu meditieren, hat meine Praxis noch vertieft. Was passiert? Gar nichts! Was erreichst Du? Gar nichts! Wo willst Du hin? Nirgens! Ich sitze einfach. Zwei Stunden manchmal. Nichts passiert. Und doch so vieles. 
Kommt Langeweile auf, spüren, mehr nicht, kommen Gier oder Ärger hoch, nur spüren. Obgleich alle diese Dinge in meinem Geist erscheinen, sind sie so illusionsgleich. Ein wenig verbleiben sie, reden und parlieren und dann entschwinden sie. Mehr nicht. Sie sind da und zugleich so instabil, gleich schon anders und morgen nur noch blasse Erinnerung. Nur ein Spuk. Immer und immer habe ich in den letzten Jahren mich so geübt. Vertrauen zum Lehrer gehabt und auch das Vertrauen zum Dharma. Es ist wichtig, ein solches Vertrauen aufzubauen, denn es weißt auf etwas hin, was jenseits unserer Begrenzung liegt. 

Doch jede gute Phase endet. Seit eineinhalb Wochen einen Bänderriss, viele Hämatome und viel Schmerz in dem Fuß und in der Wade. Ich liege seit dieser Zeit im Bett, nachts wache ich voller Schmerz auf und nehme ein starkes Schmerzmittel und doch kommt der Schmerz noch durch. Zuerst habe ich ihn ausgehalten um ihn kennen zu lernen, doch dann wurde er so stark, dass ich zu diesem Schmerzmittel griff, was Linderung bedeutete. Auch hier erkenne ich: Der Schmerz ist durchaus real, wacht man morgens auf, ist er nicht mehr greifbar. So übe ich mich. Still und einerseits auch mit Aspekten von Dankbarkeit und andererseits auch schlichtweg voller Leid. Ich erlebe alle diese Erfahrungen und weiß doch, letzendlich sind sie ein Traum. Wenn ein Freund mich besucht, dem es schlecht geht, da er in einem Prozess verwickelt ist und darob sehr leidet (eigentlich ist sein Leid der Glauben an seinen Vorstellungen und Bildern) übe ich mich trotz großer eigener Schmerzen, ihm zu helfen und ihm auch Methoden zu vermitteln, wie er vielleicht achtsamer werden kann. 

Mir ist klar geworden, dass Dukkha, Leid, universal ist. MEIN Leid ist nur Teil von Dukkha, das ALLE Wesen trifft. Es gibt keien Unterschied: Dukkha ist. Mehr nicht. Warum dann nicht auch Dukkha nutzen und anderen helfen? Warum nicht Dukkha nutzen um mitfühlender zu werden? Warum nicht Dukkha nutzen um die Illusion von Dukkha ein wenig zu durschauen? Stille. Sitzen. Mehr nicht. Mag Schmerz und Angst toben. Sitze! Wenn Du abgelenkt bist, merke es und sei wieder präsent. Mehr ist nicht zu tun. 
Wenn ich diese Zeilen schreibe, überkommt mich Dankbarkeit. Dankbarkeit, dem Lehrer gegenüber, Dankbarkeit, dass ich noch lebe um weiter üben zu kommen. 

Mein Sangha ist ein Juwel. Wie gern vermittele ich den Dharma. Wie gern führe ich Darshan (religiöses Einzelgespräch) durch und wie erfreut es mich, wenn ein Sanghamitglied, welches lange Jahre unregelmäßig meditiert hat, mir sagt, dass er es täglich tut und es vermisst, wenn er es mal einen Tag nicht schafft. Kleine Freuden. Kann ich nicht dankbar sein? 

Politisch erleben wir durch die Anschläge von Paris und den ungebremsten Zuzug von Flüchtlingen harte Zeiten. Was mir auffällt, ist, dass  durch die westlichen Gesellschaften starke Risse gehen. Jeder merkt eigentlich, dass es so nicht weiter gehen kann. Ein Hauptmerkmal sind Polarisierungen. Keiner hört mehr dem anderen zu. Oftmals beschleicht mich das Gefühl, wir leben in hysterischen Zeiten, jeder will recht haben und sieht nur sich und hört nicht wirklich zu. Die Polarisierungen werden wahrscheinlich sehr schlecht enden für unsere Gesellschaft. Zuhören können auch von gegensätzlichen Meinungen und aufgeschlossen zu sein vergeht immer mehr. Weimarer Zeiten. Vorstufen von einem neuen Totalitarismus? Der Westen ist in einer Sinn- und Wertekrise. Immer mehr Menschen sind unzufrieden. Wer eine solche Aggression hat, muss sich nicht wundern, wenn die Einschläge näher kommen. Wer nur das Geschäft sieht, darf sich nicht wundern, wenn sich Waffen gegen einen selbst richten. Die Zeiten, in denen Europa eine Insel des Freidens war, sind zumindest endgültig vorbei. Wo Hass und Vergeltung regieren, wird nur neuer Hass geschürt. Gerechtigkeit (soziale und auch ethisch gelebte) und Mitgefühl sind die einzigen Kräfte gegen den Hass. Aber hat der Mensch jemals erkannt? Wichtig ist bei all dem Terror, dass wir uns bemühen, das gute Werk in unserer eigenen Umgebung zu leben. Schaue nicht auf das Große und schafele nicht sondern helfe konkret da, wo du helfen kannst. 

Der Buddha hat sehr vor Ansichten und Meinungen gewarnt. Sie sind die Quelle der Polarisierung und damit der (unethischen) Politik. Hüte dich vor dem Konsum der Medien. Sie sind oftmals nicht ethisch getragen. Übe dich in Stille. Halte deinen schwatzhaften und manchmal gehässigen Geist geschlossen. Sitze. Stehe nicht auf, selbst wenn Mara und seine Töchter vor dir erscheinen. Sei präsent. Sitze! Hab Vertrauen. Wer so übt, erhält ein wenig Einblick in die Illusion der Phänomene. Geist geschaffen sind sie. Mehr nicht. Bunte Murmeln für das Ego. Mehr nicht.

Es ist nun November, die Blätter sind gefallen, die Zeit der inneren Einkehr des Winters ist da. So wie alles fallen muss um Platz für Neues zu schaffen, wird es auch wieder einen Frühling geben. 
Heitere Grüße aus der Klause. 

 

Montag, 9. November 2015

"Eine Wahrheit, welche nicht Liebe und Mitgefühl (Maitri und Karuna) enthält, ist keine Wahrheit."
Nangpa

Freitag, 6. November 2015

Youngey Mingyur Rinpoche nach dem Retreat, Nov. 2015

Festhalten
Wenn wir aufrichtig zu uns sind, dann können viele von uns vielleicht spüren, wie schwierig es ist, Gedankenspiralen zu unterbrechen oder sie loszulassen. Leider besitzt unser Geist die Tendenz, immer wiederkehrende Gedankenzirkel so oft zu wiederholen, immer Neues hinzuzufügen und es damit noch schlimmer zu machen, dass wir nach einiger Zeit sehr erschöpft sind und vielleicht sogar stark nieder gedrückt und in Angst und Verzweiflung verharren.

Wie schwierig ist es dann erst, wenn wir merken, unser Körper ist krank, fällt partiell aus oder hat eine Schädigung wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall nur mühsam überlebt. 
In unserer sehr auf das Materielle bezogenen Zeit kommt es zu einer Überindentifikation mit dem Körper. Hat er eine Störung, explodiert unser zirkulär denkender Geist und wenn wir nicht aufpassen, kommt Panik auf. 

Der Körper selber ist krank, ist der Veränderung von Alter, Krankheit und Tod unterworfen, wie es schon Milliarden von Menschen vor uns durchlebt haben und alles Zetern, Jammern und Klagen und Feilschen hat nichts gebracht!
Auch das Schönreden und Pläne schmieden und das Verdrängen und Verleugnen endet letztendlich in der klaren Erkenntnis: wir werden sterben und auch verrotten und alles oben erwähnte wird enden.

Natürlich bedeutet dies keineswegs, dass wir unseren Körper vernachlässigen sollten. Unterhalte ihn mit gesunder Nahrung, trinke reichlich Wasser und bewege ihn ausreichend täglich, fordere ihn ab und an - aber übertreibe nicht! Halte ein Gewahrsein auf deine individuellen Bedürfnisse und deiner  Leistungsfähigkeit - beachte weise dein Alter und überfordere dich nicht, denn sonst bist du ein Tor.

Das Primat deiner Achtsamkeit lege aber auf deinen Geist. Wenn du Schmerzen hast, lerne zu ertragen, wenn sie sehr stark sind, lasse dir helfen, aber halte deinen Geist klar, soweit wie möglich. Gerate nicht in Panik und sei achtsam, dass du nicht in die geistigen Spiralen gerätst. 

Hüte deinen Geist, denn er ist Schöpfer von Hölle und Paradies. Bete viel zu dem Medizin Buddha, generell zu den Erwachten. Öffne dein Herz und sei dir gewiss, die Erwachten können nicht anders als dir zu helfen, denn ihre Liebe und ihr Mitgefühl ist unerschöpflich.

Weiche dem Pein nicht aus, verstärke ihn auch nicht. Lerne ihn so zu sehen, wie er ist. Dinge passieren.Leben ist Veränderung. Bedenke auch, wie viele Jahre du gesund und voller Lebenslust gelebt hast. Sei auch dankbar, auch dem Körper. Er hat dich getragen und alle "Sünden" überlebt in deiner Jugend.
Wenn wir vor dem Schmerz fliehen durch Alkohol oder Drogen, vermag er kurz, sich abzuschwächen, aber an der Tatsache, dass du ihn nicht ewig abhalten kannst, vermagst du nichts zu ändern. Wenn du jammerst und klagst, dann verstärkst du den Schmerz nur, weil der Geist vieles verstärken kann und du zusätzlich neben dem Körper auch noch die geistige Qual ertragen musst. 
Viele Dinge liegen nicht in unserer Macht, alles Greifen danach ist sinnlos; wenige Dinge liegen in unserer Macht, hier kann gut Einfluss genommen werden. 
Letztendlich übe dich im einverstanden-sein.

 
Youngey Mingyur Rinpoches Rückkehr
Ich darf freudig mitteilen, das mein Lehrer Mingyur Rinpoche nach einem 4 jährigen Retreat zurück gekehrt ist. Er lebte auf der Straße, in Höhlen und unter Felsvorsprüngen in der Kälte und der Hitze in der Tradition der Yogis. Seine Nahrung erbettelte er in Dörfern und er wurde oftmals nicht erkannt, sodass er manches Mal sehr wenig Nahrung erhielt. Das erste jahr war, wie er berichtete, körperlich sehr schwierig. Nun ist er zurück gekehrt, mit langen schwarzen Haaren, sehr schlank und voller Energie. Ich persönlich freue mich darauf, diesen feinen Menschen hoffentlich bald zu sehen.
Vertrauen, Respekt und Liebe sende ich...