Translate

Mittwoch, 10. November 2021

Der Bach

Wenn ich morgens sehr früh auf dem Weg zu meiner Akademie bin, komme ich an einen kleinen Bach vorbei. 
Fast jeden Tag bleibe ich auf der Brücke stehen, die den Bach überquert. Ich höre den Vögeln zu, je nach wechselnder Jahreszeit erklingt ein anderes Lied.

Ich schaue oft in ruhiger Stimmung auf den Lauf des Wassers. Alles fließt, wie es Heraklit, ein Vorsokratiker vor Jahrtausenden aussprach und es ist richtig. 

Ich betrachte das Fließen, die kleinen Wirbel, die entstehen, wenn das Wasser an einem kleinen Stein vorbeifließt oder wenn ein Blatt auf dem Wasser treibt und sich an einem Ast verfängt. 
Ich sehe all die Wirbel, die Wellen, wenn das Wasser auf ein Hindernis trifft und doch ist alles im Fließen miteinander verbunden. 

Des Wassers Eigenschaft ist es, zu fließen: Mal fließt der Bach langsam, einmal wild und brausend; je nach Jahreszeit sind viele Unterströmungen und Wellen zu sehen und manchmal ist kaum etwas wahrnehmbar, wenn der Bach im Hochsommer träge in seinem Bett verbleibt und ich schon genau hinsehe, wo das Wasser sich kräuselt. 

Ich fühle mich diesem Bach verbunden, sehe  in ihm ein Abbild meines Geistes. Gedanken erscheinen, Emotionen gelangen an die Oberfläche, mal tosend, mitunter ruhig und friedlich. Das Große ist im Kleinen wahrnehmbar und auch das Kleine im Großen gleichsam. 

Ich betrachte den kleinen Bach und sehe in seinem Fließen auch den Strom des Lebens in mir. Doch spricht der Bach: "Ich bin?" Er fließt, das ist alles und doch so bemerkenswert. 
Selbst der Wahrnehmende ist nur ein Teil des Fließens. Ist er da? Oder ist da nur Fließen..?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen