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Freitag, 23. September 2016

Zerfall
Im Buddhismus wird viel vom Zerfall des Körpers und auch unserer Sinnes- und Denkfunktionen gesprochen. Was bedeutet dies? Nun, zuerst einmal müssen wir hinnehmen, dass unser Körper durch Alter und Krankheit jederzeit verfällt. Sehen wir unsere Zellen an: Neubildung und Sterben, im Verlauf unserer Lebensjahre setzt auch hier ein langsamer - zuerst unmerklicher, später deutlich spürbarer - Zerfall ein. Wir bemerken dies an dem Nachlassen von Kraft, Energie und Ausdauer. Auch unsere Sinnesleistungen werden schwächer wie zum Beispiel unsere Sehleistung oder unsere Hörleistung.

Auch bedeutet Zerfall durch Alter und/oder Krankheit auch, dass wir mit dem Denken Schwierigkeiten bekommen; unsere Denkleistung lässt nach und verliert an Schärfe, dementielle Erkrankungen können durchaus folgen.
Soweit zu den psychologischen wie körperlichen Veränderungen.

Ein weiterer Aspekt jedoch liegt in der genauen Betrachtung des Zerfalls auf das Individuum bezogen. Wir müssen lernen, wirklich und ernsthaft Dinge abzugeben und auch bereit sein, Dinge zu lassen. Das Wort Loslassen ist hier sicherlich angebracht, wird aber gerade in buddhistischen Kreisen so inflationär benutzt, dass es seine Bedeutung tief gehender Natur schon verloren hat.

Zerfall bedeutet ein Abschied nehmen. Wir können nicht mehr an allen Dingen, die wir früher gern getätigt haben teilnehmen. Wenn wir gern im Kino gesessen haben um uns einen Film anzuschauen. dann wird irgendwann dieses nicht mehr möglich sein, oder wir essen gern Eis. Unser Geschmacksinn kann nachlassen und der Weg zum Eissalon kann schon beschwerlich werden. Ferner werden wir mit zunehmendem Alter weniger besucht, weil unsere Kinder vielleicht ihre eigenen Dinge zu regeln haben, vielleicht wird es ein Pflichtbesuch oder unsere Freunde sterben.

Abschied nehmen bedeutet auch, dass wir lieb gewonnene Hobbys oder Interessen nicht mehr nachgehen können, weil wir zum Beispiel nicht mehr gut lesen können oder unseren Vivaldi oder AC/DC nicht mehr so gut hören können. All dieses bedeutet, dass wir Abschied nehmen müssen. Etwas verlassen müssen, was uns viele Jahre lieb geworden ist.
Wenn wir alte Menschen in einem Restaurant beobachten, dann essen sie weniger; wir sagen: Seniorenteller. Wo früher ein Wohlstandsbauch war ist nun fast im hohem Alter eine zunehmende Ausgemergelung zu sehen. Auch unsere Sexualität - für viele Menschen ein wichtiges Charaktermerkmal und Identitätsstifter - lässt nach. Unsere Lust auch auf diesem wichtigen Gebiet lässt deutlich im hohen Alter nach.

Was können wir tun? In erster Linie Akzeptanz. Radikale Akzeptanz! Wir müssen lernen, anzunehmen. Alles dagegen Angehen führt nur zu noch mehr Kampf, den wir sicherlich verlieren werden!
Auch können wir mehr auf die Qualität eines Besuches achten: reden wir heilsam, führt unser Gespräch zur Befriedigung des Herzens? Wenn es uns gelingt, alle vier Wochen bei guter körperlicher Kondition ein Eis zu genießen, dann lassen wir den (eingeschränkten) Genuss zu, achtsam, beobachtend und auch wertschätzend. Denn noch können wir genießen. Noch.

Ein weiterer Faktor wäre, dass wir zunehmend liebevoller und nachsichtiger mit uns umgehen. Finden wir Frieden in uns selbst, dann ist dieses immer ein Ergebnis von Freundlichkeit im Verhältnis zu uns.  Und schließlich, wir können jetzt (!) in diesen Moment kontemplieren, dass der Zerfall eintreten wird und wir können jetzt beginnen, unser Leben liebevoller und friedlicher zu gestalten. Dieses wird den Vorteil haben, dass wir - wenn eins der Tod eintritt - mit der Gewissheit sterben, dass wir ein reiches und sinnvolles Leben geführt haben also unser Leben wirklich genutzt haben. Beginnen wir also genau in diesem Moment wirklich zu leben!

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