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Freitag, 23. Dezember 2016

Psychologie des Neides
Ein buddhistischer Ansatz
Ngakpa Jig'med Sempa

Neid scheint ein kulturelles Phänomen zu sein. In einigen Kulturen freut man sich, wenn der nachbar ein neues Fahrzeug erworben hat und in anderen Kulturen bricht häufig Neid hervor anstatt Mitfreude. 

Neid zeigt sich in vielen Gesichtern und Formen. So neiden wir unseren Mitmenschen den Erfolg bei Frauen, Jobs oder Besitz. Auch im Bereich der Tiere gibt es den Futterneid und der Vollendete sprach häufig in seinen Lehrreden vom Neid der Titanen auf die Götter und die damit verbundenen Auseinandersetzungen. Wir sehen also, dass Neid in allen Bereichen des Lebensrades offensichtlich ist; selbst Pflanzen neiden instinktiv, wenn es um den besten Platz an der Sonne geht.

Was ist aber das Gegenmittel zum Neid? Zum einen Mitfreude (Mudita), ein Brahmavihara also eine Heimstadt der Götter oder anders ausgedrückt ein Teilaspekt auf dem Pfad zur Befreiung.
Zum anderen können wir Dankbarkeit entwickeln für das, was wir schon an Fähigkeiten oder an äußeren Reichtum besitzen. Wir haben die Möglichkeit, Zufriedenheit zu erlangen, denn was nützt uns das dritte Automobil oder das vierte Haus? Wir können immer nur in einem Automobil fahren oder in einem Haus wohnen, niemals zeitgleich in beiden etc. 

Wenn wir neidisch sind, dann haben wir in der Regel einen Mangel an Selbstwertgefühl, denn wenn wir permanent vergleichen, dann sind wir mit unseren Projektionen nur bei anderen nur nicht bei uns selbst. Dieses ist ein Mangel an Freundlichkeit für uns selbst und ein Mangel an Freundlichkeit gegenüber der anderen Person, denn wir neiden ja der anderen Person ihren Erfolg und sind eng im Herzen. Hier könnte eine Großzügigkeit, eine Weite des Herzens, ein Gönnen sehr heilsam sein. 

Wer neidisch ist, sieht immer nur Defizite bei sich; er erhofft sich Stillung der Defizite indem er wünscht, dieses oder jenes, was der andere besitzt, ebenfalls zu besitzen und damit satt zu werden. Welch ein Trugschluss! Wer nur anhäuft, wird niemals satt und zufrieden, denn unser Ego Geist findet immer gleichsam ein neues Objekt der Begierde bei einem anderen Menschen. So dreht sich der Kreis des Leidens.

Neid ist eine Quelle der Vergiftung unseres Geistes. Wir sprechen im Volksmund ja auch dass er oder sie "gelb oder giftig vor Neid" war. Gelb steht hier für Eiter oder für Vergiftung; buchstäblich vergiften wir unseren Geist und auch unseren Körper, wenn wir sehr häufig neidisch sind. Wir werden bitter ihm "kam die Galle hoch," wie wir es mitunter umgangssprachlich ausdrücken würden. Hier zeigt sich auch eine mögliche körperliche Auswirkung der Vergleichssucht.

Neid führt ebenfalls sehr häufig dazu, dass wir eine andere Person entwerten. Wenn wir neidisch sind, sollten wir dringlich auf unsere Sprache achten und nicht herablassend reden, nur weil wir einem anderen Menschen dieses oder jenes Objekt oder eine Eigenschaft neiden. Vielleicht wäre es klug, sich seinen Neid einzugestehen und damit zurück zu sich selbst kommen und schlichtweg den Mund zu halten und sich einer hässlichen Sprache zu enthalten und damit die geistige Umgebung nicht zu verschmutzen mit seiner Enge und Gehässigkeit!

Wenn wir Neid besitzen, kann dieses auch bedeuten, dass wir uns nicht bejahen. Wir sehen all unsere gütigen und großzügigen Aspekte unseres Daseins nicht, da wir nur auf das Defizit in unserem Leben schauen. So verneinen wir uns anstatt uns zu bejahen und das Offene und Freundliche sowie unsere Großzügigkeit und unsere Liebe zu schätzen und uns daran zu erfreuen, sie zu teilen und uns damit auch ein Stück weit uns zu verschenken.

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