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Freitag, 22. Juli 2016

Nüchternheit
Weltliche Dinge haben immer eine relative Bedeutung. Eine relative Bedeutung beinhaltet ebenfalls, dass die Dinge niemals so scheinen, wie sie wirklich sind. Einschätzungen, Meinungen und Bewertungen sind rein weltlicher Natur, das bedeutet, sie sind vorläufiger Natur. Vorläufig bedeutet, dass sie von Grund auf Phänomene sind; sie entstehen, bleiben und "leben" ein wenig um dann zu entschwinden oder sich zu verändern. 

Es ist eine wichtige Betrachtung und Erkenntnis, dass wir diese weltlichen Phänomene (Dhammas) nicht überhöhen sollten. Eine Überhöhung ist oftmals ein aus dem Ruder gelaufener überbordender Idealismus. Wer sich diesem Idealismus unterwirft, kann in Gefahr geraten, an seinen Idealen zu zerschellen! 
Wenn wir eine Person, eine Idee oder eine politische wie religiöse Entität auf einen Thron setzen, dann wird zwangsläufig ein Konflikt eintreten, denn die Dinge ändern sich nun einmal. 
Wenn dann unser weltlicher Idealismus nicht genau so befriedigt wird, wie wir es erwarten, dann werden wir enttäuscht, die Täuschung wird aufgehoben - welches erst einmal sehr hilfreich ist, da sie die Klarheit in unseren Geist zurück bringt - und wenn wir dann nicht genau aufpassen, vermag die Enttäuschung aus Kränkung (Ego) schnell in Hass und Übelwollen zu gleiten. 

Hier ist dann der Punkt erreicht, wo aus Idealisten Zyniker werden! 

Nüchternheit (Sobriety), körperlich wie geistig sind sehr wichtige Faktoren der Achtsamkeit (Sati). Sie verhindern, dass wir in einer Welt von übereifrigen Emotionen und Gehringespinsten leben. Im Zen Buddhismus und bei den tibetischen Lehrern wird häufig gesagt, dass wir uns nicht so wichtig nehmen sollten. Nüchternheit in der Betrachtung unserer eigenen Person kann hier eine positive Demut bewirken. Große Lehrer des Buddhismus leben einen bescheidenen Lebenswandel und treten liebevoll-zurückhaltend auf, oftmals mit einem hintergründigen Humor. 

Übertreibungen sind zu vermeiden. Wer stetig dazu neigt, zu übertreiben, der füttert letztendlich sein Ego. Weltuntergangspropheten und Ideologen haben immer schon ein unheilsames Wirken verursacht. Oftmals Menschenfängerei.
Es ist nicht so wichtig, wann und in welchem Stadium der Zustand der Welt ist und genau wann sie untergehen wird, es ist nur entscheidend im JETZT liebevoll zu handeln und dort zu helfen, wo es nötig ist und sein Herz zu kultivieren. Auch zukünftige soziale Paradiese scheitern meistens an dem eigenen Geist, welcher von Gier, Hass und Machtstreben einzelner gekennzeichnet sein kann. 
Auch ist es nicht förderlich, unsere Vorstellungen einer idealen Gesellschaft auf andere Menschen zu übertragen. Ideologien scheitern. Was nützt das Denken über die Zukunft; es kommt immer anders. Wenn wir ein liebevolles Herz besitzen, dann ist uns der Weltuntergang recht egal, da wir unser Herz stetig mit Liebe gefüllt haben und es nichts zu Bedauern gibt. Man geht in Frieden. 
Nach buddhistischer Lehre gibt es jedoch auch einen überweltlichen "Idealismus." Es sind die die Zufluchtnahmen. Wir nehmen zum Buddha, dem Dharma, der lehre des Buddha und zur Gemeinschaft der edelen (Aryas) Praktizierenden Zuflucht. Dieses sind Ideale, die uns helfen, uns weiter zu entwickeln. Sie führen in das Überweltliche, da sie unsere geistigen Fähigkeiten kultivieren und absolute Werte wie die 4 Unermesslichen wie Maitri (liebevolle Güte). Mudita (Mitfreude), Karuna (Mitgefühl) und Upekkha (Gleichmut) fördern. Wir besitzen somit ein Ziel! Theoretisieren bringt hier nichts. Es sind praktische Übungen, welche uns langsam verändern. Letzendlich bedeutet Zufluchtnahme Zuflucht zu unserer eigenen unerschütterlichen Gutheit zu nehmen, wie es mein Lehrer Mingyur Rinpoche ausdrückt. 

Zufluchtnahme kann Ausdruck und Essenz eines sinnvollen spirituellen Lebens sein und führt unter anderem zu dem überweltlichen Pfad, da diese Werte nicht relativer Natur sind.
Sich selbst auch im spirituellen Leben richtig und klar einzuschätzen bedeutet, dass wir eine gesunde Nüchternheit entwickeln, welche von einem falschen Idealismus Abstand nimmt.

 

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